ich wollte den Thread von Samms710 zu "Modul 10, zweigl. Abzweigstelle" nicht kapern oder verwässern, deshalb nehme ich die dort vorgestellte Schaltung in einen eigenen Thread heraus; dann kann man auch besser darüber diskutieren, ohne die eigentliche Modul-Diskussion zu stören.
Doch von Anfang an (ich bringe hier nochmal einige bekannte Bilder im Zusammenhang), wie die Schaltung entstanden ist.
Ausgangspunkt ist ein doppelgleisiger Abzweig, der folgenden sinnvolle Fahrsituationen zulässt:

Damit die Begriffe einheitlich sind:
Durchfahrt (X=>Y und Y=>X)
Abzweig (X=>Z und Y=>X)
Einmündung (X=>Z und Z=>X)
Die kritischen Gleisstücke an den Weichen und Kreuzungen sind benannt mit a,b,c,d,..,j.
An den Strecken, die auf den Abzweig zufahren, sind die entsprechenden Signale Sx, Sy und Sz eingezeichnet.
Die zwangsweise Halt zeigenden Signale sind mit dem roten Sechseck markiert, die anderen Signale können einen Fahrtbegriff zeigen.
Mit einem Tastendruck (gesamt 3 Taster) soll die jeweilige Situation (mit allen Weichen, Polarisationen und Abhängigkeiten) geschaltet werden. Die Grundstellung ist die "Durchfahrt", auch direkt nach dem Einschalten bzw. ohne Anschluß einer Steuerung.
Mit diesen Annahmen leiten sich folgende Vorgaben ab, ergänzt durch weitere Wünsche:
- je Fahrtweg ein Bedienungstaster
- gegenseitiger Ausschluss, Fehlbedienung verhindern
- die Grundstellung muss ohne Versorgung stabil eingenommen und gehalten werden
- eine Rückmeldung des ausgewählten Fahrwegs ist sinnvoll
- als Weichenantrieb soll ein endabgeschalteter Antrieb mit zwei stabilen Lagen und Ansteuerung über zwei Steuerleitungen ("geradeaus" und "abzweigend") verwendet werden (hier: Conrad)
- bei den Weichen wird "geradeaus" als Grundstellung verstanden
- die Weichenantriebe polarisieren die zugehörigen Herzstücke f und i.
- um Probleme beim Umschalten zu vermeiden, ist der "Digitalschnitt" sinnvoll
- keine aufwändige Schaltung, nur einfache Bauteile (Relais, Dioden, LEDs, Widerstände, Taster)

In der Schaltung werden als Eingabeelement die drei Taster "D", "E" und "A" verwendet, mit denen der gewünschte Fahrweg gewählt wird.
Es werden mehrere monostabile Relais verwendet, die ohne Strom eine feste Lage einnehmen
Die Relais betätigen intern als Schalter sogenannte "Wechsler" (=Umschalter zwischen zwei Kontakten), sinnvoll sind solche Relais mit mindestens zwei Wechslern. Wechsler haben den Vorteil, dass sie als Schließer (=ein Kontakt wird geschlossen), Öffner (=ein geschlossener Kontakt wird unterbrochen) und eben als Wechsler (=Umschalten zwischen zwei Kontakten) verwendet werden können.
Die Relais werden alle mit "R" benannt, die Kontakte mit dem Relaisnamen und einer Wechslernummer getrennt durch einen Punkt (z.B. RHE.1)
Weiter sind alle Wechsler in der Schaltung in der Grundstellung (ohne Spannung an den Relais) eingezeichnet.
Verwendung der Relais:
RHE und RHA werden als Halte-Relais geschaltet, d.h. dass ein Kontakt des Relais das Relais selbst mit der Versorgung verbindet und so das Relais "dauerhaft" geschaltet wird
RLE und RLA werden als Lösch-Relais verwendet, indem sie die Versorgung der Halterelais unterbrechen.
RW1 und RW2 schalten die Weichenantriebe um und sorgen für die Rückmeldeanzeige.
Abruf der Situationen:
- Nach dem Einschalten wird kein Relais versorgt, alle sind "abgefallen", die Grundstellung der Weichen (und Rückmeldung) wird angenommen, LED (D) leuchtet.
- Bei Druck auf "E" werden zwei Relais betätigt, wobei die Spannung über die zwei Dioden aufgeteilt wird: Zum Einen wird das Lösch-Relais RLA betätigt, damit sichergestellt wird, dass RHA abfällt, zum Anderen zieht RHE an und schließt RHE.1. Das sorgt dafür, dass RHE dauerhaft mit Spannung versorgt wird. Mit dem Wechsler RHE.2 werden beide Weichenrelais RW1 und RW2 angesteuert, da beide Weichenantriebe über die Kontakte RW1.1 und RW2.1 auf "abzweigend" gestellt werden müssen; hier wird später auch die Ansteuerung für die Polarisierung der Gleisstücke abgegriffen. Die Kontakte RW1.2 und RW2.2 lassen die entsprechende LED (E) leuchten.
- Bei Druck auf "A" werden zwei Relais betätigt, wobei die Spannung über die zwei Dioden aufgeteilt wird: Zum Einen wird das Lösch-Relais RLE betätigt, damit sichergestellt wird, dass RHE abfällt, zum Anderen zieht RHA an und schließt RHA.1. Das sorgt dafür, dass RHA dauerhaft mit Spannung versorgt wird;. Mit dem Wechsler RHA.2 wird nur Weichenrelais RW1 angesteuert, da nur Weichenantrieb1 über die Kontakte RW1.1 auf "abzweigend" gestellt werden muss; hier wird später auch die Ansteuerung für die Polarisierung der Gleisstücke abgegriffen. Die Kontakte RW1.2 und RW2.2 lassen die entsprechende LED (A) leuchten.
- Bei Druck auf "D" werden ebenfalls zwei Relais betätigt, wobei die Spannung über die zwei Dioden aufgeteilt wird: Beide Lösch-Relais RLE und RLA unterbrechen die Versorgung von RHE und RHA. Als Folge fallen auch beide Weichenrelais RW1 und RW2 ab, beide Weichenantriebe gehen in Grundstellung. Die Kontakte RW1.2 und RW2.2 lassen die entsprechende LED (D) leuchten.

Mit Hilfe dieser Grafiken lässt sich folgende Tabelle aufbauen:

Sämtliche Gleisstücke und Signaltrennstrecken sind hier aufgeführt. Anhand der Vorgabe, dass die Herzstücke f und i durch die zugehörigen Weichenantriebe geschaltet werden, bleiben nur die Kreuzungsgleisstücke (und die Signaltrennstrecken) zu berücksichtigen. Daraus wird dann diese Schaltung:

Die beiden Relais RW1' und RW2' sind quasi als "Erweiterung" von RW1 und RW2 zu betrachten. Sollten Relais mit 6 Wechslern zur Verfügung stehen, sind RW1/RW1' und RW2/RW2' jeweils ein Relais. Ansonsten muss man mehrere Relais parallel schalten (normalerweise problemlos möglich), das wären dann bei Zweifach-Wechsler 3 Relais, also RW1/RW1'/RW1" und RW2/RW2'/RW2".
Die Ansteuerung zur Polarisierung wird aus der vorhergehenden Schaltung an den Pfeilen Pol-E und Pol-A abgegriffen.
- In der Grundstellung "D" sind alle Relais abgefallen, die Kreuzungsschienen werden mit der Polarität aus der Strecke von X her versorgt. Die Signaltrennstrecke Sy kann Spannung erhalten, sie wird entsprechend versorgt, Sz ist abgeschaltet.
- In Stellung "A" wird nur Relais RW1' angesteuert; da an RW2' keine Spannung anliegt, ist dieses abgefallen, die Wechsler liegen in Grundstellung und es wird keine Polarisierung auf die Kreuzung gelegt. Die Signaltrennstrecke Sy kann auch in diesem Fahrweg Spannung erhalten, sie wird entsprechend versorgt, Sz ist abgeschaltet.
- In Stellung "E" werden beide Relais RW1' und RW2' angesteuert, dadurch werden die Kreuzungsschienen mit der Polarität aus der Strecke nach X her versorgt. Die Signaltrennstrecke Sz kann Spannung erhalten, sie wird entsprechend versorgt, Sy ist abgeschaltet.
Sämtliche Relais sind hier wegen der Übersichtlichkeit ohne Löschdiode (also eine Diode parallel zum Relais, aber in Gegenrichtung gepolt) gezeichnet; die sollte man einbauen. Bei manchen Gleichspannungsrelais sind die übrigens schon vom Hersteller eingebaut.
Die Widerstände bei den Rückmelde-LEDs sollten mindestens 1kOhm haben, je nach Versorgungsspannung können auch deutlich höhere Werte sinnvoll sein; hier muss man ausprobieren, welche Leuchtkraft als angenehm empfunden wird.
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Im ersten Moment ist das "Gewirr" aus Leitungen und Schaltern sicher abschreckend



Desweiteren sollte die Schaltung auch bei Digitalanlagen funktionieren, man muss dort nur die Polung anpassen: Rot und Blau bleiben gleich, aus Pink wird Blau und aus Türkis wird Rot (Gleichpolung bei Doppelstrecken!). Nachdem aber die Gleispannung sowieso von den Gleisen nahe X abgenommen wird, sollte das kein Problem darstellen.
Noch was zu den Relais, bei den 12V-Relais habe ich mal nachgeschaut, zehn solche würden ausreichen für die gesamte Schaltung:
https://www.pollin.de/p/hongfa-printrel ... 2-s-340753
Falls lieber 5V als Steuerspannung: https://www.pollin.de/p/hongfa-printrel ... 5-s-340752
Es gibt aber sicher ganz viele andere Vergleichstypen, die ebenfalls verwendbar sind. Die geschaltete Stromstärke sollte zur Sicherheit bei 2A Gleichstrom liegen, ansonsten muss man nur auf die Schaltspannung achten. Manchmal findet man auch günstige Restposten.
Eine Steuerung mit einem Arduino wäre sicher auch möglich, doch ist zu beachten, dass dabei ebenfalls Relais benötigt werden, die die Fahrspannungen schalten; der Relais-Aufwand wäre also in etwa gleich, deshalb bevorzuge ich hier eine rein elektromechanische Lösung, die auch ohne Spannung funktional ist (Grundstellung). Dazu käme noch die Programmierung, die nicht jedermanns Sache ist. Dagegen kann man sich in die Relaistechnik gut einarbeiten, die Schaltung sollte daher für jeden nachvollziehbar sein, der Weichenantriebe mit Polarisierung benutzen kann

Das war eine sehr interessante Problemstellung, die ich bestimmt für mich mal einsetzen werde; ich habe nämlich im Untergrund auch so eine Situation. Also auch für mich ein Gewinn!
Viele Grüße

Michael
PS: Bei Fragen einfach fragen
