Dampflok Gestängeanbau

Hier dreht sich alles um die Modellbahn
arnold160
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Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von arnold160 »

Hallo,
welche Tricks benutzt ihr, um bei einer z.B Fleischmann 50' er o.ä. die Gestänge anzubauen.
Die Lok humpelt oder schlägt hörbar beim laufen aufs Gleis.
Durch Sturz Treibrad schief, und was es noch so alles an unmöglichen Möglichkeiten gibt.
Ich suche einen Weg um weniger zeitintensiv zum Erfolg zu kommen.
Gruß Otto
N-Wolfgang
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Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von N-Wolfgang »

Hallo Otto,

nach persönlich bedingtem sehr laaaangen Schweigen hier im Forum melde ich mich auch mal wieder zu Wort.

Die Zeitfrage ist eigentlich keine. Glaub mir, wenn Du alles wieder zusammen gesetzt hast und es funktioniert, wirst Du heilfroh sein, egal, wie lange es gedauert hat. Neee, es ist eine äußerst diffizile Arbeit, und die braucht exakt so viel Zeit wie es dauert oder so. Die Zeitverschwendung fängt dann an, wenn Du es ein zweites Mal demontieren musst, weil irgendwas nicht geklappt hat.

Eine Fleischmann BR 50 sagst Du? Nun, da ist der Antrieb ja im Tender und Du musst Dich nicht auch noch mit Zahnrädern, die genau passend zu den Kurbelzapfen hingedreht werden müssem, herumärgern.

Im Prinzip zerfällt der „Stangensalat“ in zwei Systeme, die Du unabhängig voneinander betrachten kannst. Das sind einerseits die Kuppelstangen und andererseits die Treibstangen und die Steuerstangen. Zusammengefügt werden die beiden Systeme durch den Treibzapfen mit Gegenkurbel. Wenn Du diese ziehst, dann sind die schon mal aus dem Rennen und baumeln höchstens noch im Weg herum.

Um bequemer arbeiten zu können, wäre es jetzt natürlich schön, wenn man Zylinder und Steuerungsträger ausbauen könnte, aber, wenn ich mich richtig erinnere, ist das bei den Fleischmann-Loks nicht so ganz einfach. Macht nichts, das weitere Arbeiten wird nur ein bisschen umbequemer, weil man drum herum fummeln muss. Solltest Du allerdings die Räder ausbauen müssen - und danach hört es sich ja sehr an - wirst Du allerdings nicht umhin kommen, es trotzdem zu entfernen.

Wenn Du jetzt die restlichen Treibzapfen an den Rädern ziehst, kannst Du die Kuppelstangen abnehmen und nun einzeln an die Räder heran. Und das musst Du wohl, wenn mindestens eines der Räder einen Treffer abbekommen hat. Da die Achsen in Durchgangslöchern stecken, bleibt nur, die Räder an einer Seite abzuziehen und dann die Achse nach der anderen Seite zu entnehmen.

Wenn ich die ganze Zeit von „abziehen“ spreche, meine ich folgendes: Die Kurbelzapfen lassen der Kuppelstange meistens ausreichend Spiel. Man kann da eine ganz spitze feine Pinzette zwischen die Stange und den Kopf des Bolzens schieben, und je weiter Du schiebst, desto mehr treibt die Keilwirkung der breiter werdenden Pinzette den Zapfen heraus. Notfalls kann man ihn auch ganz vorsichtig heraus hebeln. Aber keine Gewalt anwenden! Räder abziehen funktioniert ähnlich. Es gibt bei Fohrmann auch wunderschöne und sehr gute Abzieher, die aber leider viel zu groß sind, um damit an einer N-Lok zu hantieren.

Jetzt hast Du praktisch alles in Einzelteilen vor Dir liegen und kannst das tun, was zu tun ist, z.B. das beim Sturz schief gewordene Rad richten (ich bezweifle, dass das geht und denke, dass Du da ein Ersatzrad brauchen wirst).

Natürlich wird man bestrebt sein, nicht mehr auseinander zu nehmen als unbedingt notwendig. Aber nach meiner Erfahrung ist es auch ein Fehler, alles mit dem Gedanken „Das krieg ich ja nie mehr zusammen …“ krampfhaft zusammengebaut zu lassen und dabei dann erst recht Sachen zu vermurksen, die heil geblieben wären, wenn man sie kontrolliert aus- und wieder einbaut.

Ich würde Dir auch den heißen Tipp geben, jetzt auch nochmal alle Stangen und Gelenke genauestens zu prüfen, ob da nichts verbogen ist. Es ist ja schließlich kaum vorstellbar, dass es ein Rad krumm haut, aber die Stangen und Gelenke sind noch tadellos. Und jetzt ist auch eine bessere Gelegenheit, defekte Teile wieder zu richten, als wenn sie wieder halb montiert an der Lok hängen.

Irgendwann werden also alle Teile repariert sein und Du kannst wieder an den Zusammenbau gehen. Also, wieder alle Achsen in die Bohrungen im Rahmen einsetzen. Vorsichtig mit den Rädern, dass Du da nicht irgendwelche Kontaktschleifer zerknitterst! Dann gleich die zugehörige Kuppelstange wieder anbauen. Am Treibrad tut es auch erstmal die Spitze eines Zahnstochers.

Durch die Kuppelstange sind die Räder bereits ausgerichtet, und damit tust Du Dich leichter, die einzelnen Räder auf der anderen Seite korrekt auszurichten. Wenn die Räder auf der Heizerseite auf 12.00 Uhr stehen, dann stehen die auf der Fokführerseite auf 03.00 Uhr. Die Räder ganz vorsichtig andrücken und langsam nur so weit auf die Achse schieben, dass es sicher sitzt. Keine Gewalt! Beim ersten Rad ist es noch nicht so wichtig, aber ab dem zweiten tut man gut daran, anhand des oder der zuvor montierten Räder zu kontrollieren, ob es wirklich exakt auf den gleichen Winkel wie die anderen Räder ausgerichtet ist. Sitzen alle Räder, kann man sie mal durchdrehen, ob keines eiert. Ist das nicht der Fall, die Räder auf die richtige Position der Achse schieben. Wenn der Abstand der Räder (Spurkranzinnenmaß) 7,3 mm beträgt, passt es.

Dann die zweite Kuppelstange montieren. Dann den Finger auf das Fahrzeug legen und es hin- und herschieben. Wenn es ganz einfach geradeaus rollt und nicht irgendwelche (sich am Finger blöd anfühlende) Schlingerbewegungen macht, dann ist alles bestens. Ansonsten tanzt (mindestens) ein Rad aus der Reihe. Das lässt sich identifizieren, indem Du nacheinander die Kurbelzapfen aller einzeln montierten Räder ziehst und das Fahrzeug rollen lasst. Das Rad, bei dem es aufhört zu eiern, sobald der Kurbelzapfen weg ist, sitzt dann falsch. Man ist jetzt versucht da direkt dran herumzudrehen, aber das ist ziemlich gewalttätig. Also besser die Kuppelstange nochmal abbauen, das Rad ein Stückchen weit abzuziehen, dass es sich leichter drehen lässt und es dann korrekt auszurichten. Wenn sich die Räder mitdrehen, wenn man den Rahmen einfach so rollt, dann ist alles bestens.

Dann wieder den Steuerungsträger und die Zylinder anbauen. Die Gegenkurbel mit Treibzapfen wieder durchs Loch in der Treibstange einfädeln und am Treibrad monieren. Bei den meisten Loks sind der Treibzapfen mit Gegenkurbel mit einen Vierkant in einen quadratischen Loch. Es gibt also 4 mögliche Einbaustellungen. Die Richtige ist die in der die Gegenkurbel am besten über der Radmitte steht. Vor dem Einbau nochmal schauen, ob die Schwingenstange auch richtig unter der Schwinge hängt, nicht drüber. Dann vorsichtig in die Bohrung einpressen. Wenn die Kurbel im richtigen Winkel steht, geht es leicht.

Wenn alles montiert, nochmal prüfen, ob alles leicht läuft. Wenn es jetzt hakelt, dann mal prüfen, ob sich da nicht die Treibstange an irgendwelchen vorstehenden Gelenkköpfen oder Kurbelzapfen verhängt. Hier kann es sein, dass einfach der Treibzapfen mit Gegenkurbel zu tief ins Rad gesteckt wurde. Einfach etwas herausziehen, damit die Treibstange Luft kriegt. Oder der Kurbelzapfen vom ersten Rad steht etwas zu weit vor. Oder eine Stange ist doch noch leicht verbogen. Da gibt‘s viele Möglichkeiten. Auch die Gegenkurbel selbst oder die Schwinge könnte verbogen sein, so dass die Schwingenstange einen kleinen Veitstanz durchführt und dabei der Treibstange in Gehege kommt. Einfach Ruhe bewahren, nachdenken, gucken und das Augenmerk auf das richten, was sich nicht ordentlich bewegt. Mit der Zeit kommt man ihm dann auch auf die Schliche.

So, das war also ein kleiner Tipp zum Zeit sparen. Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht entmutigt. Es ist nämlich durchaus zu schaffen, wenn man sich die Zeit nimmt. Und das Erfolgserlebnis, so einen Megafummel erfolgreich wieder hingebogen zu haben, ist vom Feinsten und auch wohlverdient!

Viel Erfolg & lG,
Wolfgang
arnold160
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Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von arnold160 »

Hallo Wolfgang,
deine Anleitung ist bisher das Beste was ich zu dieser Problematik gelesen habe. Und aus jedem Satz spricht die leidvolle und lustvolle Erfahrung mit dem ganzen spiedeligen Kram.
Danke das du dir die Mühe gemacht hast, das alles mal hier aufzuschreiben. Es hilft mir bestimmt weiter.
Ich werde das mal umsetzen denn wie es so aussieht hab ich da einige Aspiranten,die auf Heilung warten.
Eine neue Fleischmann 23, Fleischmann 38, und die 50.
Danke nochmal.
Gruß Otto
N-Wolfgang
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Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von N-Wolfgang »

Aber gerne! Ich wollte das schon lange mal zusammenschreiben, aber da hat dann erst Deine Anfrage hier die notwendige Aktivierungsenergie gebracht.

LG
Wolfgang
scabaNga
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Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von scabaNga »

Hallo Wolfgang,

da kann ich Otto nur zustimmen -- bei Weitem die beste Anleitung die ich zu diesem Thema gesehen/gelesen habe! DAUMEN HOCH!!

Vielen Dank für die Mühe und Zeit die Du Dir genommen hast!

Viele Grüße
Mike
5qm U im Bau, ca. 100m Gleislänge, MTX und Peco Code 80
Zentrale RMX7950usb; Steuerung TC10B3 Gold
Fahren SX1, SX2, DCC; Schalten & Melden SLX
Baubericht: viewtopic.php?t=296
N-Wolfgang
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Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von N-Wolfgang »

Aber gerne!

Ich würde nur noch gerne ein paar Anmerkungen zu Lokomotiven, bei denen die gekuppelten Achsen mit Zahnrädern angetrieben werden, anfügen. Betrifft zwar die BR 50 von GFN nicht, aber ich wüßte nicht, wo ich das sonst hintun sollte.


Problem dabei ist, dass hier nicht nur die Kurbelzapfen, sondern auch die Zahnräder im Einbauwinkel genau stimmen müssen, sonst hakt und eiert es.

Einfach Überlegung: Wenn die Kurbelzapfen um 90 Grad gegeneinander versetzt sind, und das Zahnrad eine ungerade Zähnezahl hat, dann steht ein Kurbelzapfen auf Zahnlücke, der andere auf Zahnspitze. Das heißt, das Rad ist hinsichtlich rechts/links nicht symmetrisch und wenn man es verdreht wieder einbaut, dann wird das nichts. Also sollte man besser die Einbaulage der Räder kennzeichnen, bevor man irgendwas auseinander baut.

Der nächste Punkt ist, dass man bei einer langen Kette von mit Zwischenzahnrädern verbundenen Radsätzen zwar einen einzelnen Radsatz noch mittenraus nehmen kann, diesen aber kaum noch wieder hineinbekommt, weil die Zähne der verbliebenen Zahnräder im Weg herum stehen. Und selbst, wenn einem mit viel Geruckel und Gewerkel das doch irgendwie gelingt, dann steht das Rad nicht im richtigen Winkel drin.

Man tut sich leichter, wenn man so eine Kette von einem Ende her so demontiert, dass man immer nur eine eine einzelne Zahnradpaarung auf einer Seite wieder trennen muss. Und später dann von der Mitte her nach außen wieder so aufbaut, dass man jeweils immer nur eine Zahnradpaarung zusammenfügt, bis die Lok wieder komplett ist.

Damit umgeht man, das Rad irgendwie an den im Weg herumstehenden Verzahnungen vorbeizumogeln, was regelmäßig darin endet, dass es alle Räder herausdrückt. Die Handhabung ist simpel: Man kann das Rad schön von oben auf das bereits montierte Nachbarzahnrad auflegen und dann um dieses Zahnrad herum in sein Lager rollen lassen. Beim ersten Anlauf wird der Kurbelzapfen nicht richtig sitzen, dann dreht man das Rad wieder raus, korrigiert seinen Winkel entsprechend und setzt es wieder ein. Spätestens beim dritten Anlauf passt es.

Klar, dass man vorher die Kurbelzapfen von auszubauenden Rädern abgezogen hat und diese jetzt wieder montiert. Bis auf diesen kleinen Trick bei der Getriebemontage gilt natürlich alles, was ich schon zur BR 50 gesagt habe.

Soderle, nun ist diese Abhandlung auch komplett.
MHAG
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Registriert: 21 Jan 2019, 01:09

Re: Dampflok Gestängeanbau

Beitrag von MHAG »

Hallo Wolfgang,

vielen Dank für die guten Tipps und Beschreibungen! :D
Ich habe eine noch kleine Ergänzung:
Vor dem Ausbau der Räder nutze ich gerne und ausgiebig Edding-Stifte für viele Markierungen, wie die Räder und Achsen liegen. Lässt sich hinterher mit Spiritus leicht entfernen.

Viele Grüße 8-)
Michael
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